Kirche engagiert sich

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Feierliche Einweihung der Alphornkapelle durch Bischof em. Dr. Gebhard Fürst (2000 bis 2023)

Liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst, liebe Schwestern und liebe Brüder! Ich bin sehr glücklich und dankbar, heute in diesem feierlichen Gottesdienst die Alphornbläserkapelle hier auf dem Berg vor den Toren Isnys zu weihen! Diese Kapelle ist wahrlich ein besonderer Ort, der die Sakrallandschaft in Oberschwaben und im Allgäu – diesen liebenswürdigen und prosperierenden Landstrich – auf besondere Art bereichert. Insbesondere freue ich mich, dass Sie die Kapelle hier auf dem Rangenberg unter das Patronat der Heiligen Cäcilia stellen wollen.

Cäcilia ist die Schutzheilige der Musik. Im Jahr 230 starb sie als junge Märtyrerin. Noch heute liegen ihre Gebeine in einer der bedeutendsten frühchristlichen Basiliken in Rom begraben. Dort im Stadtteil Trastevere, an der Stelle, wo der Überlieferung nach ihr Elternhaus stand, steht die wunderschöne Basilika Santa Cecilia. Vor dem Altar liegt die Skulptur der Heiligen aus weißem Marmor. Sie zeigt die Heilige Cäcilia nach der Hinrichtung – den Kopf abgewandt. Ihre Finger – drei an der rechten Hand und einen an der linken Hand – hält sie ausgestreckt. Die Finger markieren den Glauben, für den sie starb. Cäcilia: Ihr Leben und Sterben ist das Bekenntnis zu dem einen Gott, der sich in drei Gestalten zeigt. An ihrem Gedenktag singt die Kirche deshalb bis heute: „Die Jungfrau Cäcilia trug die frohe Botschaft allezeit in ihrem Herzen. Tag und Nacht ließ sie nicht ab von geistlichen Gesprächen und vom Gebet.“

Mit ihrer Geste in der Kirche Santa Cecilia macht die Heilige Cäcilia die heilende Zuwendung Gottes zu uns Menschen sichtbar, der in Jesus Christus Mensch geworden ist, der um unseres Heiles willen für uns gestorben ist und der uns seinen Geist gesandt hat. Diese heilende Zuwendung dürfen wir feiern. Dafür dürfen wir Gott mit ganzem Herzen danken, mit „Psalmen, Hymnen und Liedern, wie sie der Geist eingibt“ (Kol 3,16). Denn wir sind von Gott geliebt, wir sind seine auserwählten Heiligen (vgl. Kol 3, 12).

Die heilende Zuwendung Gottes spürt auch Maria, von der wir heute im Evangelium gehört haben. Auch sie hat Grund zum Lobpreis. Der Evangelist Lukas legt ihr dazu das Magnifikat in den Mund. „Magnificare“ heißt im Lateinischen wörtlich „etwas groß machen“. „Magnificat anima mea dominum“ – „Meine Seele preist die Größe des Herrn“: Mit diesen Worten beginnt der Lobgesang Mariens.

Und – ich muss gestehen – die Worte des Magnifikat ergreifen mich selbst immer wieder aufs Neue. Denn sie beschreiben auf besondere Weise den Zwiespalt und gleichzeitig die Stärke Marias – ihre Lebens- und Glaubenserfahrung. Im Magnifikat lässt sie uns in ihr Herz blicken, wie sonst vielleicht nur noch an einer Stelle in den Evangelien – in dem Moment, in dem sie alles, worauf sie gehofft und worauf sie ihre Lebensfreude aufgebaut hat, zerstört sieht – in dem Moment, in dem sie ihren Sohn und damit ihre Zukunft, ihre ganze Hoffnung und sicherlich auch ihren Gottesglauben am Kreuz hängen sieht.

Unterm Kreuz wird sie schweigen, doch im Magnifikat singt sie! Der Beziehung zu Gott in besonderer Weise Ausdruck zu verleihen, das tun wir auch im Gottesdienst. Musik ist in der Liturgie unverzichtbar und wir möchten sie alle nicht missen! Der Dirigent Philipp Harnoncourt schreibt den Tönen eine Wirkmacht zu, die größer ist als die Wirkmacht der Worte. Musik dringt in all ihren Facetten in die Tiefe der menschlichen Seele ein. Sie erreicht uns tief im Inneren: unsere Abgründe, unsere Ängste, unsere Sehnsucht, unsere tiefen Freuden.

Musik hat somit immer auch eine geistliche Dimension. Auf ihre Weise erschließt sie den Gläubigen, was in der Liturgie in heiligen Zeichen und heiligen Worten zur Sprache kommt und sich ereignet. Musik ist kein Beiwerk, sondern eine wesentliche Dimension der Liturgie und besonderer Ausdruck des Glaubens. Musik vermag das, was sich in der Eucharistie ereignet, in uns aufzurufen und zum Klingen zu bringen.

Der heilige Augustinus hat den wunderbaren Satz geprägt: „Wer singt betet doppelt!“ – Denn wer singt, ist mit seinem ganzen Körper und mit allen Sinnen dabei. Singen ist nicht nur die Mechanik des Mundes und der Stimmbänder. Beim Singen öffnen sich die Lungen. Der Körper ist in Bewegung. Singen verändert unsere gesamte Haltung. Wir werden aufrecht, denn einem gekrümmten Körper kann kein voller Gesang entströmen. Singen macht den Kopf frei.

Ja, Singen geht ans Herz und berührt unsere Seele. Die hebräische Sprache benutzte für „Seele“ und „Kehle“ dasselbe Wort. Wir können demzufolge den Beginn des Lobgesangs der Maria im Magnificat: „Meine Seele preist die Größe des Herrn“ auch folgendermaßen übersetzen: „Meine Kehle preist die Größe des Herrn“. Deshalb können wir sagen: Singen wir aus voller Kehle, so singt auch unsere Seele. Wenn in der Liturgie Musik erklingt, ereignet sich ein Zusammenspiel der Klänge, Worte und Farben, eine ästhetische Verbindung von Theologie und Kunst und ein Reichtum an Symbolen. Sie ist „Sprache, wo Sprachen enden!“, sagt Rainer Maria Rilke. Musik ist „Heiliges Spiel“, Verkündigung und Botschaft.

Und in diesem Sinne erfüllt sie ihren Dienst – ist selbst Gottes-Dienst. Nach der Liturgiekonstitution des Zweiten Vaticanum (Sacrosanctum Concilium 120) ist Musik dazu bestimmt – mit ihren übersprachlichen und gleichzeitig sinnlichen, mit ihren rationalen wie unerklärbaren Qualitäten - „Herzen mächtig zu Gott und zum Himmel emporzuheben“.

Dies ist für mich wiederum der Brückenschlag zu dieser Kapelle, hier auf dem Berg, die wir heute gemeinsam einweihen. Möge die Musik der Alphörner hier an diesem Ort den Menschen nach dem Vorbild Marias und unter dem Patronat der heiligen Cäcilia die Botschaft des Glaubens nahebringen und Ihnen, liebe Schwestern und Brüder, so zum Segen sein.

Amen!

 

Bischof em. Dr. Gebhard Fürst (2000 bis 2023) anlässlich der Einweihung der Alphornbläserkapelle St. Cäcilia auf dem Rangenberg bei Isny
7. September 2014
Schrifttexte: Kol 3,12-16; Lk 1,39-56